Margaux Weiß
artistic work
Mit Kindern der STS Harburg haben wir im Forschungstheater - ermöglicht durch ein Fellowship des Forschungstheaters - eine Woche verschiedene Kommunikationsformen ausprobiert und erforscht. Die Kinder haben Pilzen ihre Stimmen und ein Vokabular gegeben, ein Orakel entwickelt und Pflanzen nach ihren Vorlieben und der Zukunft der Welt befragt, haben Pilze digital die Welt erkunden lassen, und versucht in einer erfundenen akustischen Sprache ihre Geschwindigkeit, ihren Rhythmus und ihre Signalrange zu erkunden. In allen Versuchen haben wir immer auch die Kinder sich selbst ans EEG anschließen lassen, um Unterschiede, Ähnlichkeiten untereinander und zu den Pflanzen und Pilzen zu erfahren.
Ein Forschungshighlight für alle stellten die Versuche da, die wir mit einem Baum gemacht haben. Die Forschungsfrage war, ob der Baum die Kinder wahrnimmt und auf sie reagiert. Mit unterschiedlichen Methoden wie Massagen, Klopfen, mit Wasser bespritzen, Umarmen oder mit ihm spielen haben wir Signaldiagramme aufgezeichnet, mit den Kindern ausgewertet und konnten deutliche Veränderungen feststellen.
In gemeinsamen Gesprächen mit den Kindern wurde deutlich, wie diese Forschungen das Verständnis der Kinder für die Fähigkeiten und Eigenschaften von Pflanzen und Pilzen verändert haben.
Konzept & Idee *2023
Margaux Weiß / Felix Jung
Teilnehmende Künstler
Carl Hoffmann / Torben Spieker
Hypher Hypher - von Kabeln, Wurzeln und Mycelien
Forschung zur Pflanzen-Mensch Kommunikation
Instagram, Tiktok, Facebook - alles dreht sich um Teilhabe, Kommunikation und Netzwerke. In dem wichtigsten Netzwerk der Welt - dem Netzwerk der Pflanzen und Pilze - haben wir leider noch keinen Account. Diese Netzwerke gibt es solange wie es pflanzliches Leben auf der Erde gibt und langsam beginnen wir Menschen ihre Bedeutung zu entschlüsseln und das Interesse wächst, sie zu verstehen. Könnten wir an ihnen teilhaben, können wir leichter erfahren, wie es unseren Wäldern, unserer Natur geht. Das Verständnis von Pflanzen, Pilzen und der Natur könnte sich dahingehend manifestieren, die natürlichen Prozesse als intelligent zu betrachten, als lernende netzwerkbasierte Organismen, die sich verhalten, auf unsere Einflüsse reagieren und Lösungen generieren. Es ist möglich, elektronische Impulse der Pilze abzufangen und durch multimediale Techniken in andere Ausdrucksformen zu transformieren und so z.B. visuell, auditiv oder kybernetisch sichtbar zu machen.
Das tolle ist, dass unsere Pflanzen nicht konform sind .. sie haben Dornen, Stacheln und Widerhaken. Sie brennen, sie kratzen, sie wehren sich, sie gehören eingesperrt weil sie sich klonen können. Sie sind geächtet, sie sind illegal sie werden mit Flammenwerfern bekämpft, sie haben politische Kriege ausgelöst und sie sind die Vorboten der Klimaflüchtlinge. Sie bilden Orte, die den Menschen ausschließen und doch können sie auch ein Hoffnungsträger der Zukunft sein…
Die Wucherungsgefüge in der Stadt sind Wald, Flechte, Ufer, Berg oder Wolke. Sie bilden ein Gemenge, ein Versteck, eine Burg, einen Speicher, Science Fiction in einer Form die zu gleichen Teilen utopisch und dystopisch ist. Sie verweisen auf die Grenzen unserer Kultivierung von Rosen und bilden gleichermaßen eine Lösung unseres Bedürfnisses von Stadt.
Fotografien von der Expedition zu einer aufgeschütteten Sand/Schuttfläche in Hammerbrook. Die Fläche hat keinen Schutz vor Sonne und liegt neben einer sechspurigen Straße. Hier beginnt sich ein Wald zu bilden, ein potentielles neues Ökosystem für die Stadt. Die Fläche umfasst circa 1000qm. Was wächst hier spontan unter ärgsten Bedingungen? Wir haben die Pflanzen bestimmt und Pflanzen gefunden von denen es heißt, dass sie besonders klimaresilient sind wie z.B. Robinien, Roteichen.
Wucherungen sind Zeigerpflanzen, nicht nur in ihrer empirischen Klassifikation, sondern auch im Bezug auf die Abwesenheit des Menschen. Durch ihre Anwesenheit wird gezeigt welche Flächen für den Mensch interesselos geworden sind. Wucherungen können genutzt werden um Flächen verschwinden zu lassen und Platz für ‘die Zukunft’ zu sichern. Mit den Superkräften der Pflanzen können in kurzer Zeit menschenresliente Räume, Biotope, Lebensräume für Vögel, Insekten und andere Tiere geschaffen, ein besseres Mikroklima erzeugt und in ihrem weitläufigen Wurzelsystemen ein hohes Maß an Co2 gespeichert werden und die Böden werden von Schadstoffen gereinigt.
Diese Gefüge sind Gärten des Widerstandes, und bilden die zukünftigen Gärten der Stadt, die im fortschreitenden Klimawandel überleben werden.
Eindrücke von der Expedition in den Hafen nach Altenwerder. Altenwerder ist ein ehemaliges Dorf, das als Hafenerweiterungsgebiet im Zuge des Baus der Hafencity geräumt wurde. Die ehemals durch Menschen angelegten Gärten renaturisieren sich selbst. Es gibt mittlerweile mehrere Schichten von Wucherungen, die übereinander und ineinander greifen. Häufig sind auch hier Brombeere und Brennnessel anzutreffen, aber auch explodierte ehemalige Gartenpflanzen wie der Gundermann. Neben den zumeist alten Obstbäumen entstehen neue junge Bäume. Nur noch wenige Flächen sind ohne Machete zugänglich.
Kampf ansässiger Wucherungen und anderer Gefüge
In der Stadt gibt es naturstrielle Räume. Grünflächen, die nicht kuratiert und nur minimal bis gar nicht kultiviert werden. Randstreifen zwischen Industrieflächen, tote Winkel eines öffentlichen oder privat-öffentlichen Raumes, die uninteressant, nicht nutzbar, nicht verwertbar sind. In diesen naturstriellen Räumen findet man ein Pflanzenhabitat, welches sich von den angelegten und kultivierten öffentlichen Grünflächen in den Wohnvierteln der Stadt unterscheidet. Durch den fehlenden kultivierenden Gärtner erscheinen diese Flächen natürlicher und wilder, wachstumsreicher und voluminöser. Zwischen den einzelnen Pflanzen gibt es keinen ungenutzten Raum und auch der Mensch findet dort kaum Platz.
Ihr Erscheinungsbild variiert je nach Größe und Standort und wie häufig sich der Mensch in ihnen bewegt. Je unerreichbarer die Flächen sind und je weniger Bäume es dort gibt, umso mehr werden diese Flächen von sogenannten invasiven Pflanzen dominiert. Handelt es sich um kleine Randstreifen, Flächen die regelmäßig begangen werden oder um Flächen wo Bäume wachsen findet man dort eine größere Biodiversität.
In Hamburg-Hammerbrook haben wir in diesen naturstriellen Räumen am häufigsten die Brennnessel, die Brombeere und den Japanischen Knöterich vorgefunden. Sehr häufig sogar in einem gemeinsamen Gefüge.
Diese drei Pflanzen sind Anzeiger für Interesselose Orte in der Stadt und dies ermöglicht es ihnen frei zu wuchern. Sie erscheinen wie ein bisschen Natur: ein spontanes Gemengelage, an welchem der Mensch kaum einen sichtbaren Einfluß hat. Und sie scheinen ihre besten Lebensbedingungen in der Stadt und zwischen Gewerbe und Industrie gefunden zu haben. Anne Lowenhaupt Tsing schreibt in „Der Pilz am Ende der Welt“ von einer sogennanten ‚dritten Natur‘, „die all das bezeichnet, was trotz der Verheerungen des Kapitalismus am Leben zu bleiben vermag“ und Lucius Burkhardt schreibt, dass Natur unsichtbar geworden ist und nur noch durch eine Fälschung sichtbar und begreifbar gemacht werden kann. Beide betonen wie notwendig eine Änderung der Wahrnehmung ist um zu begreifen was uns an Natur umgibt und wie wir uns in und mit ihr bewegen und wie sich ein nachhaltigeres Verhalten ihr gegenüber entwickeln könnte.
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