FILETSTÜCKE
Interview
IM INTERVIEW:
Autor Michael Alexander Müller
"FILETSTÜCKE – wem gehört das Land" ist bereits dein zweites Stück, das in Zusammenarbeit mit Francoise Hüsges (Regie Hamburg) und Johanna Hasse (Regie Berlin) entstanden ist. Lieber Michael, wie gehst du an solche Stückaufträge ran? Was steht am Anfang, als erste Idee? Wie findest du einen Zugang?
Ich denke immer zunächst aus der Sicht von realen Figuren, Begegnungen und Situationen. Da ich auf verschiedenen Erzählebenen arbeitete, konnte ich mich von dem Ausgangspunkt weiterentwickeln und mit den Figuren einen Weg gehen, der über die Realität hinaus auf übergeordnete Fragen verweist.
Beide Figuren haben trotz ihrer Konflikte, die sie miteinander und an ihren jeweiligen "Austragungsorten" ausfechten, etwas gemeinsam. Sie stellen Fragen, die sich aus der konkreten Situation herauslösen und uns Zuschauer aus ihrer Welt in die unsere führen.
Nicht ganz unbeabsichtigt stehen Begriffe wie "Paradies", "Seelenheil" oder "Selbstverwirklichung" und "Opfer-Täter" im Raum. Aber man kann auch zwischendurch herzhaft lachen, so bekloppt ist manche Situation. Die Schauspieler:innen sagten, dass sie diese Momente besonders lieben. Die Entwicklung von kurios-tragischen Szenen mit schräg-liebenswerten Charakteren war ein besonderes Vergnügen. Was kann es besseres geben als traurig-komisch das Leben zu spiegeln. Ich hoffe es ist mir ein Stück weit gelungen.
Der Entstehungsprozess von Auftragsstücken unterscheidet sich ja enorm von der, sagen wir, normalen, eigenständigen Arbeitsweise von Theaterautor:innen. Wie hat sich das Stück im Prozess und im Austausch mit der Regie verändert?
FILETSTÜCKE existierte zunächst nur als ein Stück, unter den Arbeitstitel SEELENHEIL. (Da das Monsuntheater sich im Umbau befindet, wurde Hamburg zuerst nicht als Spielort miteingeplant.) Auch in diesem Fall war der Auftrag zunächst ein analoges Stück, wobei ich bei der erneuten Verschärfung der Corona-Lage beim Schreiben bereits filmisch dachte. Einige meiner vorangegangenen Texte hatten sich schon in diese Richtung bewegt, das fiel mir also relativ leicht. Ich baute unterschiedlich geartete Reflexionsebenen ein, um ein Spektrum der Interpretation durch Spiel und Text (und dann eben auch durch Film) zu ermöglichen. Als dann das monsun unter bestimmten Voraussetzungen als wieder bespielbar galt, erschien die zweite Stückidee auf den Plan. KÖNIGIN OHNE LAND (erster Arbeitstitel) sollte sich mit SEELENHEIL verzahnen. Die Hauptarbeit lag in der Folge darin, mit dem Team die Taktung der beiden Stücke als Konferenz-Stream zu erarbeiten, ohne die Inhalte zu verlieren und die einzelnen Texte zu schwächen, sowie ihre Besonderheiten zu erhalten. Mein Anliegen bestand darin, die Figuren und die Form der Stücke den technischen Anforderungen anzupassen, aber nicht zu opfern – denn beide Stücke haben ihren ganz eigenen Charme und die Umstände sind den Protagonisten auf den Leib geschneidert. Natürlich gab es unumgänglich Erfordernisse wie zum Beispiel, dass verschiedene Szenen in den Städte parallel laufen und sich danach die Handlungsstränge wieder vereinen, da musste ich manchmal Worte zählen. Aber ich kann sagen, das gesamte Team (Regie/ Dramaturgie/ Technik) hat da mit großem Know-how sehr gute Arbeit geleistet, zumal ich ja nun mit zwei Regisseurinnen verhandelte.
Im Rückblick kann ich sagen, dass sich die Qualität durch die vielen Wendungen und Stationen (es gab einige Fassungen) in meinen Augen erheblich gesteigert hat. Ich weiß für die Zukunft, was solche Projekte benötigen, schreibtechnisch wie auch im Hinblick auf enge Zusammenarbeit. Es gelang mir bis zum Schluss beim Schreiben offen für Prozesse zu bleiben. Beide Theater und ihre Leitungen haben mir im Gegenzug sehr viel Vertrauen geschenkt.
Würdest du das, was entstanden ist, eher als ein Stück sehen oder als zwei oder sogar drei?
Es sind drei Stücke, zwei separat funktionierende Abende mit dem zusätzlichen Twist der ästhetischen und inhaltlichen Verbindung im Stream zu Stück Drei. Für das Publikum ist es ungemein reizvoll, sich beide Abende separat mit den jeweiligen Verbindungen in Hamburg und Berlin anzuschauen. Sie erfahren in den Städten ganz andere Dinge, die sich wie ein Puzzle zusammenfügen.
Es wird ein Spektakel – eine eigene Kunstform. Es war in jeder Hinsicht eine herausfordernde Entwicklungsarbeit.
Interview von und mit Fabienne Dür
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