501197128-20200328-jk-59-1-1024x-q80.jpg
Ich mache einen Abendspaziergang mit einer Freundin. Wir laufen durch Kreuzberg. Es sind fast nur Männer auf der Straße. Ein alter Mann raunt uns etwas Unverständliches zu, glotzt uns lüstern an, hält sich nicht an den Mindestabstand. Ich begleite meine Freundin zur U-Bahn am Kotti, ich will nicht, dass sie alleine geht. Wir trennen uns. Mein Bus soll eigentlich gleich kommen, hat aber Verspätung.
Die Wartezeit ist total unangenehm. Ich halte Ausschau nach dem Bus.
"Hallo!" kommt plötzlich von rechts und ich drehe mich erschreckt um. Ich erschrecke mich immer total schnell. Auch er kommt näher als 1,5 Meter. Ich überlege, was ich tun soll. Ich kucke ihn mit starrem Blick an. Ich habe keine Lust mit ihm zu reden. Er versucht es auf Englisch. Ich kucke ihn an und sage einfach gar nichts. Eigentlich würde ich gerne so viel sagen: Ob er sich vielleicht vorstellen kann, dass es unangenehm ist, als Frau nachts auf der Straße angequatscht zu werden? Ob er das in Zukunft einfach lassen kann!? Ich bin innerlich sehr wütend, habe aber keine Lust, mich mit jemandem zu streiten. Ich will einfach in Ruhe gelassen werden. Ich will einfach nur nach Hause gehen. Sicher. Ist das zu viel verlangt? Ich glaube nicht! Auf der anderen Straßenseite läuft ein junger Typ mit Musikbox vorbei und singt mit: "Hare Krishna, hare krishna!"
Ich laufe zur nächsten Bushaltestelle, 200 Meter entfernt. Zwei Typen warten an einem Imbiss. Sie starren mich an. Die Haltestelle ist ein paar Meter von ihnen entfernt. Ich stelle mich hinter das Schild um mich vor ihren Blicken zu schützen. Sie essen ihren Döner auf der anderen Straßenseite und glotzen von dort weiter. Endlich kommt der Bus.
Ich rede öfter mit Männern aus meinem Bekanntenkreis über meine Erfahrungen mit Sexismus. Für die meisten sind solche Schilderungen nicht nachvollziehbar, sie reagieren total erstaunt, weil sie Sexismus einfach nicht erleben.
JavaScript is turned off.
Please enable JavaScript to view this site properly.