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Meine Oma schaukelt sehr gerne. Vielleicht sogar lieber als so manches Kind. Mir wird und wurde immer schnell schwindelig. Sie wollte unbedingt eine Schaukel im Garten und da meinte mein Opa: „Warten wir ab bis das erste Enkelkind kommt, dann wird der Vater ganz sicher eine Schaukel bauen.” 1978 kam meine älteste Schwester Britta zur Welt und mein Vater baute eine sehr massive, wunderschöne Schaukel hier in den Garten. Ein Riesenteil aus Holzpfählen, so wie sie auch in seinem Hafen stehen und an welchen die Leute ihre Schiffe anbinden. Ursprünglich alte Telegraphenmasten, die zu der Zeit wohl nach und nach abgerissen wurden.
Nach all den Jahren war die Schaukel auch so schön zugewuchert und es summte und brummte, wenn man sich ihr näherte. Schon lange diente sie eigentlich nur noch als Schattenspender und Insektenbehausung, da der obere Querbalken sehr morsch ist.
Heute ist der 16. April 2020 und meine Oma liegt seit gut zwei Wochen im Krankenhaus. Sie hat sich den Oberschenkelhalsknochen gebrochen. Wenn sie wieder nach Hause kommt, muss sie wahrscheinlich viel Zeit in ihrem Bett verbringen. Da soll ihr der Blick auf den See nicht durch eine morsche Schaukel verwehrt bleiben. Diese ist nun dem Abriss geweiht. Irgendwie hänge ich an der Schaukel, so wie ich an vielem hänge, was verschwinden könnte oder schon verschwunden ist. Doch dieses Argument überzeugte mich, denn sie soll unbedingt den See sehen können. Wir rissen die Schaukel also ab, die mein Vater vor 43 Jahren erbaute.
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