sarah pedde
texts
2015, screen print on textil, 180 X 210 cm approx.
Die Hand
Eine Hand die niemandem gehört ist eine Niemandshand. Hände handeln oder sie liegen im Schoß. Ein Handlungsreisender an meiner Tür, mit einer Hand. Er gibt mir diese Hand ohne Namen, einfach Hand. Er gibt mir die seine, ich ihm die meine. Er zeigt etwas. Auf dem Gewebe des Stoffs steht Handtext und Rastertext. Ein leeres Raster und eines, dass die Hand fasst. Ein abgebildetes, virtuelles Raster und ein Druckraster, zusammen in einem Bild. Da sind vier insgesamt. Vier Raster, vier Stücke Stoff , vernäht zu zweien und dann wieder zu zweien. Alles gedoppelt, Himmel und Hölle, Schluss und Umkehrschluss, das gleiche in grün ist eines, das anders ist. Gehört die Hand zu einem anonymen Jemand, einer im Raster aufgelösten Person? Ist es eine Macht-Hand? Eine Handlungs- oder Kontroll-Hand? Es möge sich diejenige melden, der die Hand gehört.
Vienna, 2015
Das Ritual
Das Ritual beginnt und endet. Es gibt kein Publikum, sondern Teilnehmende.
Das Ritual beginnt immer wieder. Es handelt von Liebe, denn Liebe ist die Wiederholung des Einmaligen. Wenn es ganz au ört bleibt nur die Traurigkeit, das absolut Neue, der Tod. Wenn es eine ausreichende Erfüllung gäbe, bräuchte man das Ritual nicht. Das Ritual ist eine Pause vom Alltag, von der Arbeit und vom Unbehagen. Es strukturiert unsere Erfahrung der Realität und verschleiert sie gleichzeitig. Durch das Ritual können wir leben, aber es lässt auch Mythen wuchern, die uns handlungsunfähig machen. Durch das Ritual wird ein undurchdringbarer Schein etabliert. Die christliche Pietà verkörpert das Ritual exemplarisch. Sie spiegelt seine Bedeutung. Der Akt spielt sich im Bild (zwischen dem toten Jesus und der trauernden Maria) ab, sowie zwischen Bild und teilnehmender Betrachtung. Maria hält Jesus und beweint ihn, als Frau und als Institution. Das Objekt Pietà zeigt also den Toten und die weinende Mutter. Wir sind ihnen einen Schritt voraus, denn wir kennen die Geschichte. Jesus wird von den Toten auferstehen und erlöst wiederkehren, als ein Zombie, ein Richter-Zombie. Man sieht wie Maria Jesus fast nicht mehr halten kann und der schöne, aber zu schwere Körper von ihrem Schoß zu gleiten droht. Auch sie muss gehalten und betrauert werden, denn ihr Schmerz ist groß und die Kräfte schwinden. Betrachtet man die Pietà, findet man sich also in beiden Positionen wieder, im halten und gehalten werden, in einer erotischen Illusion absoluter Geborgenheit. Ein prekäres Gleichgewicht der Positionen, das uns als unperfekt spiegelt und gleichzeitig tröstet, da es auf die Erlösung hinweist. Das Bild ist zutiefst beschädigt, aber es verspricht Perfektion. Die Grenzen von Trost spenden und getröstet werden sind ießend, denn das eine bedingt das andere. Auch wenn man es nicht sieht, wechseln Jesus und Maria ständig ihre Positionen. Wir (die am Ritual der Betrachtung Teilnehmenden) sollen darauf hoffen, irgendwann ebenso erlöst zu werden, vielleicht in einer Umarmung. Das Ritual ist strukturierend und gemeinschaftsbildend, aber es ist auch ein stickiges Treibhaus. Das Kunstwerk wurde aus dem Ritual entbunden, aber das Ritual kann ein Kunstwerk sein.
Wenn es das Ritual nicht mehr gibt, bleibt eine unendliche Traurigkeit. Wenn das Ritual aufhört sich zu wiederholen, bleibt eine unendliche Traurigkeit. Wenn das Ritual au ört und nicht wieder beginnt, bleibt eine unendliche Traurigkeit. Wenn das Ritual beginnt und nicht mehr au ört, ist man in der Hölle. Wenn das Ritual abgeschafft würde, bliebe eine unendliche Traurigkeit. Wenn das Ritual verschwindet, bleibt noch die unendliche Traurigkeit. Wenn das Ritual glückt ist scheinbar alles dort inbegriffen und bereits erfüllt. Es manipuliert die Massen.
Vienna, 2016
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