Felix Jung
Knochenporzellan
Knochenporzellan beschäftigt sich auf mehreren Zeitschienen mit der Verwendung von Ressourcen und dem Verhältnis zu ihrer Entsorgung und Wiederverwertung.
Die von uns aus der Themse geborgenen Knochen markieren einen Augenblick im zeitgeschichtlichen Umbruch der Industrialisierung. Bis ins 18. Jahrhundert hinein waren im Hafen der Handelsstadt London etliche Schlachtbetriebe ansässig. Diese Schlachthöfe nutzten den starken Tidenhub der Themse, um Schlachtabfälle zu entsorgen. Noch heute befindet sich eine exorbitante Menge an Knochen auf dem Grund der Themse, welche mit jeder Flut neu durchmischt wird und bei Ebbe an die Oberfläche gelangt.
Ein Importschlager der damaligen Kolonialmacht war das Chinesische Porzellan. Die Rezeptur des schier-weißen und hauchdünnen Porzellans war geheim und das Material so viel stabiler als jedes von der Nordhalbkugel produzierte, dass England großes Interesse daran hatte, ein gleichwertiges Material produzieren zu können. 1740 fand schließlich ein in London ansässiger Keramiker heraus, dass gebranntes Knochenmehl ein wesentlicher Bestandteil des Porzellans aus China war und konnte mit der lokalen Fertigung von ebenso hochwertigem Porzellan beginnen. Dieses Porzellan wurde “Bone China” genannt und veränderte die Handelsbeziehung zwischen England und China. Nun hatten die Knochen einen Mehrwert und eine Entsorgung der Schlachtabfälle in der Themse wurde verboten; mit dem gewonnenen Knochenmehl wurde die Porzellanproduktion angeschoben.
Heutzutage sind es vor allem die Endverbrauchenden, die ihre Abfälle beiläufig in der Themse entsorgen und somit finden sich kaum neue Knochen, dafür aber Unmengen an Alltagsmüll zwischen alten Knochen aus den historischen Schlachthöfen auf dem durch die Ebbe freigelegten Grund der Themse. Die Schlachtabfälle der heutigen Zeit werden anderweitig verwendet. Inspiriert durch diesen Wandel haben wir aus den letzten Knochen der Industriellen Revolution Mehl produziert, dieses Mehl in Modelliermasse eingestreut, um daraus letztlich die in unserer Ausstellung gezeigten Keramikarbeiten als Verpackungen von Fast-Food-Ketten zu produzieren.
Die Arbeit wurde 2018 für die Galerie slateprojects.com konzipiert und ausserdem 2022 in der Villa Schoeningen und den Kantgaragen gezeigt. *2018 einsiedel-jung
Knochenporzellan deals with the use of resources and the relationship to their disposal and recycling on several timelines. The bones we recovered from the Thames mark a moment in the contemporary historical upheaval of industrialization. Until the 18th century, the port of the trading city of London was home to a number of slaughterhouses. These slaughterhouses took advantage of the strong tidal range of the Thames to dispose of slaughterhouse waste. Even today, there is an exorbitant amount of bone at the bottom of the Thames, which is remixed with each tide and rises to the surface at low tide.
An import hit of the colonial power of the time was Chinese porcelain. The recipe of the sheer white and gossamer porcelain was secret and the material so much stronger than any produced from the northern hemisphere that England had great interest in being able to produce an equivalent material. Finally, in 1740, a London-based ceramist discovered that fired bone meal was an essential ingredient in China porcelain and was able to begin local production of equally high-quality porcelain. This porcelain was called "bone china" and changed the trade relationship between England and China. Now the bones had an added value and a disposal of the slaughter waste in the Thames was forbidden; with the bone meal obtained the porcelain production was started.
Nowadays, it is mainly the end users who casually dispose of their waste in the Thames and thus hardly any new bones can be found, but vast amounts of everyday garbage can be found among old bones from the historic slaughterhouses on the bottom of the Thames exposed by the ebb tide. Today's slaughterhouse waste is used elsewhere. Inspired by this change, we produced flour from the last bones of the Industrial Revolution, sprinkled this flour into modeling clay to ultimately produce the ceramic works shown in our exhibition as fast food chain packaging.
The work was conceived in 2018 for the gallery slateprojects.com and also shown in 2022 at Villa Schoeningen and Kantgaragen. *2018 einsiedel-jung
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